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Montag, 26. August 2013

Die Spione von Myers Holt - Monica M. Vaughan

368 Seiten
Deutscher Taschenbuch Verlag
Erscheinungstag 1. September 2013
ISBN 978-3423760805

Klappentext:

Der zwölfjährige Chris Lane kann es kaum fassen: Ausgerechnet er, der Halbwaise aus ärmlichsten Verhältnissen, soll über ein außergewöhnliches Talent verfügen: Er kann Gedanken lesen und in das Bewusstsein anderer Menschen eindringen! Dank dieser Gabe wird er auf die Myers Holt Academy aufgenommen. Was zunächst nach renommiertem Eliteinternat klingt, entpuppt sich als Sitz des MI 18, einer Sektion des britischen Geheimdienstes, in dem Kinder als Nachwuchsagenten ausgebildet werden. Dort ist Chris’ Hilfe bitter nötig: Ein unbekannter Junge hat kürzlich nämlich Anschläge auf wichtige Mitglieder der Regierung ausgeübt. Für Chris und seine Freunde beginnt ein gefährliches Abenteuer...

Mein Umriss:

Chris Lane lebt in ärmlichen Verhältnissen, kümmert sich um seine Mutter, die nach dem Tod des Vaters in eine tiefe Depression verfiel, schmeißt den Haushalt und zahlt die Rechnungen. Er ist ein mittelmäßiger Schüler und nun soll er für die Myers Holt Academy getestet werden. Angeblich verfügt er über ein außergewöhnliches Talent, das nun gefördert werden soll. Chris hat jedoch Zweifel, ob diese Schule für ihn die richtige sein wird, da es sich hier um ein Internat handelt und er sich seiner Mutter gegenüber verpflichtet fühlt.
Den Aufnahmetest besteht er mit Bravour, also ist ihm die Schule behilflich, seine Entscheidung zu treffen. Es handelt sich ja nur um ein Jahr, aber dieses Jahr soll sein Leben und seine Zukunft grundlegend ändern.
Also nimmt er das Angebot an und staunt nicht schlecht, als ihm die Schule gezeigt wird. Noch mehr staunt er jedoch, als er gemeinsam mit den anderen Mitschülern die Hintergründe und das Ziel der Schule erfährt. Nämlich die Förderung einer besonderen Gabe, die alle Menschen von ihrem 12. bis zu ihrem 13. Geburtstag besitzen sollen. Die normale Schulbildung soll so nebenher stattfinden, er und seine Mitschüler sollen in Telekinese, Suggestion und vielem anderen, wovon sie bisher nur am Rande erfuhren, geschult werden und als Spione für den MI 18 im britischen Geheimdienst eingesetzt werden.
Schon kurz nach Schuljahresbeginn sollen die sechs Schüler auf dem Antarktisball einen Politiker beschützen, der in höchster Gefahr schwebt….

Mein Eindruck:

Vieles erinnert an die Harry-Potter-Reihe. Einzelkind wird von einem Schulagenten an eine geheimnisvolle Schule gebracht, wo er noch geheimnisvollere Dinge lernen soll. Aber nein, es handelt sich hier nicht um einen schwachen Abklatsch. Monica M. Vaughan nutzte zwar einen Teil des Rahmens für ihre Geschichte, verwob jedoch keine magischen Zauberkräfte, Zaubersprüche und vieles mehr, sondern steuert in eine Richtung, die weniger fantastisch aber nicht weniger faszinierend ist. Sie lässt die Schüler Gegenstände nur mit Hilfe ihrer Gedanken bewegen, befähigt sie die Gedanken anderer zu lesen und zu beeinflussen, ohne zu vergessen, dass es sich um 12jährige Jungendliche handelt, die auch viel Unsinn im Kopf haben. Sie schreibt für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen interessant, sodass sich Leser jeden Alters schnell in die Geschichte einfinden können. Den Einstieg vollzieht die Autorin indem sie die Neugierde des Lesers weckt und ihn richtiggehend ans Buch fesselt. Kaum zu glauben, dass es sich hier um einen Erstling handelt, aus dem man begeistert aussteigt um gleich weiter zu lesen. Aber leider heißt es jetzt warten, bis Teil zwei der Trilogie erscheint.

Mein Fazit:

Spannend, rasant, faszinierend. Hier kommt auch der erwachsene Leser voll auf seine Kosten.

Samstag, 24. August 2013

Kindermund - Pola Kinski

267 Seiten
Insel Verlag
Erschienen am 15. Januar 2013
ISBN 978-3458175711

Klappentext:

Pola Kinski ist drei Jahre alt, als sich ihre Eltern scheiden lassen. Sie ist das erste Kind von Klaus Kinski, einem aufstrebenden Schauspieler, damals, Mitte der fünfziger Jahre. Nach der Scheidung lebt das Kind bei Mutter und Großvater in München; seinen Vater sieht es nur selten. Alles ändert sich, als Kinski in Fernsehen und Kino der Durchbruch gelingt. Er holt seine Tochter bei jeder Gelegenheit zu sich nach Berlin und später nach Rom, lässt sie zu den wechselnden Drehorten nachreisen. Pola erlebt die Tobsuchtsanfälle und die Verschwendungssucht ihres Vaters: Er brüllt auf sie ein und überhäuft sie mit Geschenken und Geld. Was sie sich sehnlichst wünscht, die Liebe und Geborgenheit der Eltern, versagen ihr Mutter wie Vater. Die Zuwendung der einen gilt bald nur mehr dem neuen Mann und zweiten Kind. Der andere macht die eigene Tochter über Jahre zu seiner Kindfrau. »Kindermund« ist Pola Kinskis Autobiografie ihrer Kindheit und Jugend. Sie erzählt, wie es war, die Tochter des Enfant terrible des deutschen Films zu sein, und sie rechnet ab, so unsentimental wie schonungslos: mit einem, für den es als selbstverständlich galt, sich über alle Grenzen hinwegzusetzen und der es skrupellos in Kauf nahm, das Leben des eigenen Kindes zu zerstören.

Mein Umriss:

Pola Kinski erzählt ihr Leben als Tochter eines von der Öffentlichkeit als Genie gesehenen Vaters. Sie wächst wohlbehütet bei ihrer Mutter und deren Vater in München auf, nachdem sich Mutter Gisling und Vater Klaus getrennt hatten. Sie fühlte sich mit ihrer Mutter wohl, nur hatte sie etwas Angst vor ihrem Großvater, dem Arzt, der dem Alkohol verfallen war.
Zu ihrem Vater Klaus Kinski hatte sie lange Zeit fast nur telefonischen und brieflichen Kontakt. Stand er dann doch mal überraschend vor der Tür, so mußte die Mutter ihm ihre Tochter überlassen. Was ihr zu diesem Zeitpunkt nicht ungelegen kam, hatte sie doch gerade ihren zweiten Mann geheiratet und einen Sohn geboren. Somit war ihr die Tochter aus erster Ehe im Weg. Pola wurde jedes Mal von ihrem Vater neu eingekleidet und mit Spielsachen überhäuft. Bis sie fünf wurde und er sich das erste Mal sexuell an ihr verging. Aufgrund seiner Aussage, dass das niemand wissen dürfe, weil er sonst ins Gefängnis käme, fühlte sich die Fünfjährige so unter Druck gesetzt, dass sie niemandem gegenüber ein Wort über den Vorfall erwähnte. Von diesem Zeitpunkt an war Kinskis Hemmschwelle seinem Kind gegenüber überschritten und er nahm sich immer öfter, wonach ihm gerade war. Dass Pola weiterhin niemanden davon erzählte, ließ er sich einiges an Geschenken und großen Geldbeträgen kosten. Immer öfter holte er das Kind zu sich. Obwohl er inzwischen zum zweiten mal verheiratet war und eine weitere Tochter hatte, ließ er nicht von Pola ab. Auch seine dritte Frau konnte den Missbrauch an der Erstgeborenen nicht verhindern.
Pola litt psychisch wie körperlich, bis der unweigerliche Zusammenbruch nach 14 Jahren folgte. Erst da öffnete sie sich dem zweiten Mann ihrer Mutter gegenüber….

Mein Eindruck:

Pola Kinski schreibt ungeschönt über ihre Kindheit, die von Ablehnung seitens der Mutter und Missbrauch durch den Vater geprägt war. Auch zeigt sie, dass sie die sexuelle Abhängigkeit und Gier ihres Vaters sehr schnell für ihre Zwecke zu nutzen wusste. Dass sie sich damit auf Dauer schadete, sah sie in so jungen Jahren noch nicht. Sie wollte ihr Leben geniessen und das konnte sie mit Hilfe des Geldes ihres Vaters. Sie zeigt die Ablehnung ihrer Mutter an traurigen Beispielen. Dass sie zum Beispiel nicht am Esstisch mitessen durfte, sondern an einem über dem Abfalleimer befestigten Brett ihre Mahlzeiten einnehmen mußte. Dass der kleine Bruder bei Mutter und Stiefvater an erster Stelle stand und dass sie nie ein offenes Ohr für ihre Sorgen bekam. Sie zeigt auch, wie leicht sie ihren Vater um den Finger wickeln konnte, wenn sie wieder Geld brauchte. Sie wusste, was er als Gegenleistung von ihr erwartete, dies jedoch verdrängte sie dann in den Hintergrund. Es war ihr Weg des geringsten Widerstandes.
Zu Anfang des Buches hat man den Eindruck einen unbeholfenen Schulaufsatz zu lesen. Pola Kinski schreibt in kurzen, teilweise abgehackten Sätzen. Je weiter sie jedoch in der Erzählung über ihr Leben voran kommt, umso feiner arbeitete sie ihre Schreibweise aus. Da sich die Ereignisse ihres Lebens teilweise überschlugen, sind ab dem zweiten Drittel die kurzen Seiten eher angenehm zu lesen. Sie bedient sich einer eher einfachen Art über ihr Schicksal zu erzählen. Trotz des schlimmen an ihr begangenen Verbrechens zeigt sie erst zum Ende des Buches hin, dass sie ihren Vater für das was er ihr antat, hasst. Wie alle Missbrauchsopfer ist sie immer auf der Suche nach der Schuld bei sich.

Mein Fazit:

Auch wenn es nicht um Klaus und Pola Kinski ginge, wäre dieses Buch unbedingt empfehlenswert.

Dienstag, 20. August 2013

Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können - Tessa Korber

320 Seiten
Ullstein Hardcover
Erschienen am 14. September 2012
ISBN 978-3550088957

Klappentext:

Manchmal liebe ich ihn leidenschaftlich, manchmal möchte ich in einen Zug steigen und einfach davonfahren. Ich könnte ihn nie aufgeben, er ist ein Teil von mir. Aber mit ihm zu leben, kostet mich alle Kraft. Schon oft habe ich davon geträumt, mit ihm ganz fest im Arm von einem Hochhaus zu springen.

Mein Umriss:

Tessa Korbers Sohn Simon kommt scheinbar gesund und munter zu Welt. In den ersten Jahren entwickelt er sich so normal wie sein großer Bruder Jonathan. Schon früh spricht er und nimmt rege am Leben und seiner Umwelt teil. Doch irgendwann hat die Mutter den Eindruck, dass etwas mit ihm nicht stimmen kann. Er möchte plötzlich wieder Baby sein, er verliert nach und nach seine Sprache und schottet sich immer mehr von seiner Umwelt ab. Simon entwickelt seltsame Eigenheiten. So kann er ohne direkten Körperkontakt zu seiner Mutter nicht schlafen. Sie bietet ihm diesen und trotzdem vergehen Stunden, bis er sich endlich beruhigt und einschläft. Tessa Korber vernachlässigt darüber ihren Beruf und auch den Rest der Familie. Ihr Mann spricht immer öfter aus, was sie nicht einmal zu denken wagt. Der Junge ist behindert. Sie will das nicht hören und auch nicht wahrhaben. Nach einem jahrelangen Ärztemarathon stellt sich schlussendlich heraus, dass Simon Autist ist. Tessa ist plötzlich erleichtert. Endlich hat sie für das was ihren Sohn so veränderte einen Namen.
Damit geht es ihr zwar im Moment besser, aber sie weiß, dass sich ihr anstrengendes Leben dadurch wahrscheinlich nicht ändern wird. Sie versucht ihn in Schulen und Tageseinrichtungen unter zu bringen, stößt jedoch immer wieder auf Widerstand, weil die Pädagogen keine Erfahrung mit Autisten haben. Erst als Tessa schon mehrfach zusammengebrochen ist und nur noch wie ein Automat funktioniert, findet sie eine Begleitperson für ihren Sohn. Diese Frau nimmt mit ihm am Schulunterricht teil und hat die Fähigkeit, das Vertrauen von Simon zu gewinnen. Damit hat die Mutter endlich wieder etwas Zeit, um ihrer Arbeit als Schriftstellerin nachzukommen. Allerdings hat sie sich im Laufe der zeit so weit von ihrem Mann entfernt, dass sie nun als alleinerziehende Mutter ohne männlichen Rückhalt da steht. Jonathan der große Bruder beginnt irgendwann seinen Bruder dafür zu hassen, dass seine Mutter für ihn fast keine Zeit mehr hat. Erst ein neuer Partner in Tessas Leben scheint das Blatt etwas wenden zu können….

Mein Eindruck:

Tessa Korber erzählt die Geschichte ihrer Familie unter dem Einfluss eines autistischen Kindes. Offen geht sie mit sich selber ins Gericht. Lange Zeit hat man beim Lesen das Gefühl, sie gibt sich letztendlich die Schuld dafür, dass sich ihr älterer Sohn mehr dem Vater zuwandte, dass ihre Ehe in die Brüche ging und dass es so unendlich schwierig ist, eine geeignete Betreuung für den behinderten Sohn zu finden. Sie beschreibt seine Panikanfälle, die von der Umwelt als Zorn und Trotz interpretiert werden, die jedoch nichts anderes sind als Angstzustände, weil Simon mit zu vielen Eindrücken auf einmal total überfordert ist. Lange Zeit hatte die Autorin auch den Eindruck, dass ihr Sohn sein Umfeld nur eingeschränkt wahrnimmt. Erst durch das sogenannte Buchstabenbrett lernt er sich mitzuteilen. Somit wird ihr schnell klar, dass er zwar an Autismus leidet, aber sehr intelligent ist. Sie geht in diesem Buch sehr intensiv auf die Lernvorgänge ihres Sohnes ein, die sich ihr erst sehr spät erschließen. Immer wieder stellt sie Fragen in den Raum, wie etwas denn so sein kann wie es ist. Sie bekommt darauf keine Antworten, denn Simon wird nie in der Lage sein, ihr dies zu erklären.
Schonungslos offen berichtet sie über das Zusammenleben innerhalb der Familie, die Ablehnung von aussen und die Akzeptanzprobleme in den Schulen, die sich weigern ihren Sohn zu unterrichten. Auch stellt sie immer wieder die Frage nach dem Sinn dieser Krankheit und die Ablehnung durch andere. Die einzige Antwort die sie dazu fand lautete „Simon ist mir gegeben worden, weil ich ihn lieben kann
Ihre Angst vor der Zukunft ihres Sohnes zeigt sie ganz klar auf. Was wird sein, wenn sie keine Kraft mehr hat? Was wird sein, wenn sie zu alt wird, um sich um ihn zu kümmern?
An ein „Heilmittel“ glaubt die Autorin längst nicht mehr, zumal es erwiesen ist, dass Autismus immer mehr Menschen betrifft. Bereits ein Kind von 150 in den USA wird autistisch geboren und die Tendenz steigt stetig an.

Mein Fazit:

Eine Geschichte die zu Herzen geht, aber auch wiederum die Augen öffnet für eine Behinderung, die wohl am schwersten von allen zu verstehen ist.

Mittwoch, 14. August 2013

Brennen muss die Hexe - Sven Koch

416 Seiten
Knaur
Erschienen am 2. April 2012
ISBN 978-3426508558

Klappentext:

Eine grauenvolle Mordserie versetzt die Bürger von Lemfeld in Angst und Schrecken. Ein Wahnsinniger verbrennt Frauen auf dem Scheiterhaufen, nachdem er sie nach mittelalterlichen Methoden brutal gefoltert hat. »Für immer. A.G.« – diese kryptische Botschaft hinterlässt der Mörder am Tatort. Die SOKO »Flammenhimmel« ermittelt unter Hochdruck. Denn Polizeipsychologin Alexandra von Stietencron befürchtet, die bevorstehende Walpurgisnacht könnte in einem Blutbad enden …

Mein Umriss:

Lemfeld mit einer grauenvollen Geschichte die ins Mittelalter zurückführt, in dem Hexenverbrennungen an der Tagesordnung war, ist der Mittelpunkt einer schrecklichen Mordserie.
Eine Frau, gefoltert mit Daumenschrauben, spanischen Stiefeln und anderen grauenhaften Dingen wird auf einem Scheiterhaufen verbrannt aufgefunden.
Die Polizei steht vor einem Rätsel, da bei der Obduktion unglaubliche Verletzungen in Erscheinung treten. Die Polizeipsychologin Alexandra von Stietencron wird in den Fall mit einbezogen und stößt recht schnell über ihre Ermittlungen auf eine Gruppe, die sich intensiv mit dem heidnischen Glauben des Mittelalters identifiziert. Schnell wird klar, dass die Frauen dieser Gruppe in höchster Gefahr schweben, denn der „Scharfrichter“ schlägt immer wieder erbarmungslos zu. An jedem Tatort hinterlässt er eine in Holz geritzte Botschaft mit den Initialen A.G.
Über Umwege finden die Ermittler heraus, mit welchen Initialen der Täter spielt und erfahren die Geschichte über diesen Menschen. Das jedoch bringt nun auch die Ermittler in Lebensgefahr….

Mein Eindruck:

Brennen muss die Hexe ist das zweite Buch von Sven Koch und trotzdem hat man den Eindruck, es mit dem Werk eines sehr erfahrenen Schriftstellers zu tun zu haben. Er steigt sehr rasant mit einem sehr hoch angesetzten Spannungslevel in die Handlung ein und ist in der Lage, diesen Level permanent oben zu halten. Der Leser wird von Kapitel zu Kapitel gepeitscht, nicht ohne dass Koch immer wieder aufregende Spannungsspitzen ins Geschehen einbaut, welche ihren Höhepunkt schlussendlich im Showdown zu einem regelrechten Feuerwerk führen.
Im Normalfall stört es mich, wenn ein Autor durch das Liebesleben eines Ermittlers versucht, den Leser am Buch zu halten. In diesem Fall gehört das etwas gestörte Liebesleben der Polizeiermittlerin einfach dazu und ist so geschickt mit der Geschichte verwoben, dass ohne das etwas fehlen würde. Koch verliert nie den Blick fürs Wesentliche und verrennt sich auch nicht in unwichtigen Nebensächlichkeiten. Es wird zwar immer wieder der vorher gehende Fall des Purpurdrachen und verschiedene Begebenheiten erwähnt, man hat jedoch nicht das Gefühl, dass da was fehlt. Eine sicherlich lange und aufwendige Recherchearbeit im Bereich der Geschichte der Hexenverfolgungen und der Lebensauffassung in anderen Kulturen hat sich hier auf jeden Fall gelohnt.

Mein Fazit:

Ein Thriller der mitreißt und uneingeschränkt zu empfehlen ist

Freitag, 9. August 2013

Um Leben und Tod - Ortwin Ennigkeit, Barbara Höhn

272 Seiten
Heyne Verlag
Erschienen am 12. September 2011
ISBN 978-3453172166

Klappentext:

Ein Ermittler trifft die schwerste Entscheidung seines Lebens.
Ein Kind ist verschwunden, und der Entführer weigert sich auch nach stundenlangen Verhören, den Aufenthaltsort des Jungen zu verraten. Die Ermittler, die um das Leben des Kindes fürchten, kündigen ihm schließlich Gewalt an, sollte er nicht endlich das Versteck preisgeben. Sie haben zwischen Recht des Opfers auf Leben und dem Recht des Täters auf körperliche Unversehrtheit abgewägt – und entschieden. Doch wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten.

Mein Umriss:

Der erste Teil des Buches beinhaltet alle relevanten Fakten in Bezug auf die Entführung und Ermordung des 11jährigen Jakob von Metzler am 27. September 2002, sowie die Ermittlungsarbeit der Polizei in der Phase der ersten 4 Tage, an denen der Junge verschwunden war.
In diesem Teil erzählt Ortwin Ennigkeit, der damals zuständige Ermittlungsbeamte, den gesamten Ablauf der Entführung, ebenso die mit der Familie abgesprochenen Abläufe zur Lösegeldübergabe, sowie die Verfolgung des Abholers des Lösegeldes bis zu dessen Identifikation, Verhaftung und Vernahme.
Hier geht Ennigkeit so in die Details des Falles ein, dass es nicht erforderlich ist, sich anderweitig über den Fall, der die ganze Bundesrepublik in Atem hielt, einzuarbeiten.
Im zweiten Teil geht Ennigkeit auf die Entscheidung ein, die ihm Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner zur möglichen Aufklärung des Falles vorschlug.
Noch am vierten Tag der Entführung waren die Beamten davon überzeugt, dass Jakob noch am Leben ist, aber durch Kälte, Nahrungs- und Flüssigkeitsmangel in Lebensgefahr schwebt. Daher sah er keine andere Möglichkeit, als Druck auf Gäfgen auszuüben, der mit immer mehr Lügen versuchte, sich aus dem Fall zu winden.
Ihm wurde im Falle der weiteren Verweigerung, den Aufenthaltsort des Jungen mitzuteilen, damit gedroht ihm Schmerzen zuzufügen, um eine ehrliche Aussage zu bekommen.
Jedoch nicht diese Drohung Ennigkeits auf den Vorschlag von Daschner hin, brachte den Täter zu seiner nun ehrlichen Aussage, viel eher Ennigkeits Zukunftsprognose, dass Gäfgen dieser Fall sein Leben lang verfolgen würde und er an der Erinnerung zerbrechen wird.
Somit wurde der Fall durch das Auffinden der Leiche Jakob von Metzlers schlussendlich gelöst, jedoch nicht so wie es sich die Ermittler gewünscht hätten.
Für die Ermittlungsbeamten stand fest, dass es nun zu einer Verurteilung Gäfgens kommen würde, sahen sich jedoch plötzlich mit Ermittlungen in ihre Richtung konfrontiert. Ihnen wurde zur Last gelegt, den Entführer und Mörder des Jungen durch Androhung härtester Folter, zur Aussage genötigt zu haben….

Mein Eindruck:

Ortwin Ennigkeit geht intensiv auf den Fall Jakob von Metzler ein. Er gibt in diesem Buch einen tiefen Einblick in seine Arbeit als Ermittlungsbeamter, für den Recht und Gesetz an erster Stelle stehen. Nüchtern lässt er den Fall und die Folgen daraus noch mal Revue passieren. Durch das Zitieren der unterschiedlichen Auszüge aus dem Strafgesetzbuch und anderen Gesetzesschriften, wird klar, dass in diesem Fall das Gesetz zu Gunsten eines Verbrechers ausgelegt wurde und zwei rechtschaffende Polizeibeamte, die nicht mehr wollten, als das Leben eines Kindes retten, mit ihm auf eine Stufe gestellt wurden.
Ennigkeit hat anhand der einzelnen Gesetzestexte versucht, die Gerichtsbarkeit und letztendlich die Verurteilung von sich und Daschner zu analysieren und zu verstehen. Dies jedoch kann keinem Menschen gelingen, der über nur einen kleinen Funken gesunden Menschenverstand und Unrechtsbewusstsein verfügt.
Hier wird gezeigt, dass das Leben eines Verbrechers über das Leben eines Opfers, in diesem Fall eines wehrlosen Kindes, gestellt wird.
Dies haben Ortwin Ennigkeit und Wolfgang Daschner nicht getan und dafür haben die beiden meinen vollen Respekt.
Ein Zitat aus diesem Buch liegt mir ganz besonders am Herzen, denn es zeigt auf, was das Leben eines Kindes wert ist:
„Am 20. Dezember 2004 starb Jakob von Metzler zum zweiten Mal, einen juristischen Tod, als die Frankfurter Justiz sein Recht auf Leben, Menschenwürde und Freiheit geringer wertete als das Wohlbefinden seines Entführers und Mörders. Um mit Professor Winfried Bruggert aus Heidelberg zu sprechen: „Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, hatte die Binde vor ihren Augen, das Zeichen des Urteilens ohne Ansehen der Person, abgenommen. Aber sie hatte nur ein Auge geöffnet, nämlich das Auge für den Mörder. Das andere – das Auge für sein Opfer – blieb geschlossen.“

Mein Fazit:

Der Beweis, dass das Leben der Täter über dem der Opfer steht, sollte Anlass genug sein, dieses Buch zu lesen. Und zwar nicht nur mit dem Kopf, nein auch mit dem Herzen.

Freitag, 2. August 2013

Joyland - Stephen King

352 Seiten
Heyne Verlag
Erschienen am 17. Juni 2013
ISBN 978-3453268722

Klappentext:

In Joyland nimmt der Autor den Leser auf einen Trip in die Siebzigerjahre mit. Auf verhängnisvolle Weise kreuzen sich in einem kleinen Vergnügungspark die Wege eines untergetauchten Mörders und eines Kindes. Und mitten im sich überschlagenden Geschehen steht ein junger, unschuldiger Student und weiß: Irgendwann ist es mit der Unschuld vorbei. Irgendwann hört jeder Spaß auf. Um sich sein Studium zu finanzieren, arbeitet Devin Jones während der Semesterferien im Vergnügungspark Joyland an der Küste von North Carolina. Drei Dinge sind es, die ihn im Laufe des Sommers 1973 vor allem beschäftigen: Seine große Liebe Wendy gibt ihm per Brief den Laufpass. In der Geisterbahn Horror House soll es spuken, nachdem dort ein Mädchen ermordet wurde. Und er fragt sich, welches Geheimnis sich wohl hinter der schönen jungen Frau mit ihrem behinderten Sohn verbirgt, an deren Strandvilla er jeden Tag vorbeikommt. Vom unbekümmerten Schaustellerleben in Joyland fasziniert, verlängert Devin seinen Aufenthalt. Mit seinen neugierigen Nachforschungen tritt er jedoch eine Lawine von Ereignissen los, bei denen es schließlich um Tod oder Leben geht ...

Mein Umriss:

Es ist Sommer im Jahr 1973. Devin Jones muss vor seinem Studium Geld verdienen, um während dessen über die Runden zu kommen. Also heuert er im Vergnügungspark Joyland in North Carolina an.
Von Anfang an stürzt er sich mit Begeisterung und Elan in diesen Job. Nicht zuletzt um seine verlorene Liebe zu Wendy zu verarbeiten. Er mietet sich ein Zimmer und schon bald gehört er zum Team. Auf seinem Heimweg sieht er jeden Abend einen kleinen Jungen im Rollstuhl auf der Veranda eines grünen Hauses sitzen und denkt sich, dass er dieses Haus irgendwann sein eigen nennen wird.
Seine Vermieterin erzählt ihm, dass es in der Geisterbahn des Parks spukt. Dort soll der Geist einer in der Geisterbahn ermordeten Frau umgehen. Neugierig geworden versucht er nun herauszufinden, ob es sich nur um eine Schauergeschichte oder die Wahrheit handelt. Dabei wird er von Kollegen unterstützt, deren Ergebnisse ihn immer mehr davon überzeugen, dass es den Geist der Frau wirklich gibt.
Die sich entwickelnde Freundschaft zu dem kleinen Jungen und dessen Mutter, sowie seine Recherchen bezüglich des Mordes bringt ihn und die beiden in höchste Gefahr….

Mein Eindruck:

Nach „Der Anschlag“ war dieses Buch von Stephen King für mich keine Überraschung mehr, sondern eine logische Weiterentwicklung in eine von ihm ungewohnte Richtung.
Früher kannte man King hauptsächlich als Autor von Horrorromanen, Endzeitromanen und Psychothrillern. Hier entpuppt er sich als Schriftsteller eines eher seichten Kriminalromans, der sehr ruhig und ausgeglichen, aber nicht weniger den Leser einnehmend verfasst ist.
Er geht auf die Begebenheiten der anfänglichen Siebzigerjahre ein, sodass man diese noch mal durchlebt. Die Technik ist noch nicht so ausgereift, es gibt noch keine Mobiltelefone, die Menschen gaben sich in Vergnügungsparks mit eher unspektakulären Fahrgeschäften und Attraktionen zufrieden. King zeigt, dass die Welt damals noch nicht so hektisch und stressbeladen war, wie sie heute ist. In diesem Roman hat man das Gefühl, vom Autor an die Hand genommen und durch den Park, über den Strand und durchs Geschehen geführt zu werden.
Er schlägt ungewöhnte Tasten in seiner schriftstellerischen Tastatur an, die sicherlich nicht allen Lesern gefallen werden. Für mich steht nun jedoch endgültig fest, dass er einer der wenigen Schriftsteller ist, die mehrere Genres überzeugend abdecken ohne dadurch unglaubwürdig zu werden.

Mein Fazit:

King einmal auf die sanfte Tour, gerade deswegen unbedingt zu empfehlen.