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Dienstag, 20. August 2013

Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können - Tessa Korber

320 Seiten
Ullstein Hardcover
Erschienen am 14. September 2012
ISBN 978-3550088957

Klappentext:

Manchmal liebe ich ihn leidenschaftlich, manchmal möchte ich in einen Zug steigen und einfach davonfahren. Ich könnte ihn nie aufgeben, er ist ein Teil von mir. Aber mit ihm zu leben, kostet mich alle Kraft. Schon oft habe ich davon geträumt, mit ihm ganz fest im Arm von einem Hochhaus zu springen.

Mein Umriss:

Tessa Korbers Sohn Simon kommt scheinbar gesund und munter zu Welt. In den ersten Jahren entwickelt er sich so normal wie sein großer Bruder Jonathan. Schon früh spricht er und nimmt rege am Leben und seiner Umwelt teil. Doch irgendwann hat die Mutter den Eindruck, dass etwas mit ihm nicht stimmen kann. Er möchte plötzlich wieder Baby sein, er verliert nach und nach seine Sprache und schottet sich immer mehr von seiner Umwelt ab. Simon entwickelt seltsame Eigenheiten. So kann er ohne direkten Körperkontakt zu seiner Mutter nicht schlafen. Sie bietet ihm diesen und trotzdem vergehen Stunden, bis er sich endlich beruhigt und einschläft. Tessa Korber vernachlässigt darüber ihren Beruf und auch den Rest der Familie. Ihr Mann spricht immer öfter aus, was sie nicht einmal zu denken wagt. Der Junge ist behindert. Sie will das nicht hören und auch nicht wahrhaben. Nach einem jahrelangen Ärztemarathon stellt sich schlussendlich heraus, dass Simon Autist ist. Tessa ist plötzlich erleichtert. Endlich hat sie für das was ihren Sohn so veränderte einen Namen.
Damit geht es ihr zwar im Moment besser, aber sie weiß, dass sich ihr anstrengendes Leben dadurch wahrscheinlich nicht ändern wird. Sie versucht ihn in Schulen und Tageseinrichtungen unter zu bringen, stößt jedoch immer wieder auf Widerstand, weil die Pädagogen keine Erfahrung mit Autisten haben. Erst als Tessa schon mehrfach zusammengebrochen ist und nur noch wie ein Automat funktioniert, findet sie eine Begleitperson für ihren Sohn. Diese Frau nimmt mit ihm am Schulunterricht teil und hat die Fähigkeit, das Vertrauen von Simon zu gewinnen. Damit hat die Mutter endlich wieder etwas Zeit, um ihrer Arbeit als Schriftstellerin nachzukommen. Allerdings hat sie sich im Laufe der zeit so weit von ihrem Mann entfernt, dass sie nun als alleinerziehende Mutter ohne männlichen Rückhalt da steht. Jonathan der große Bruder beginnt irgendwann seinen Bruder dafür zu hassen, dass seine Mutter für ihn fast keine Zeit mehr hat. Erst ein neuer Partner in Tessas Leben scheint das Blatt etwas wenden zu können….

Mein Eindruck:

Tessa Korber erzählt die Geschichte ihrer Familie unter dem Einfluss eines autistischen Kindes. Offen geht sie mit sich selber ins Gericht. Lange Zeit hat man beim Lesen das Gefühl, sie gibt sich letztendlich die Schuld dafür, dass sich ihr älterer Sohn mehr dem Vater zuwandte, dass ihre Ehe in die Brüche ging und dass es so unendlich schwierig ist, eine geeignete Betreuung für den behinderten Sohn zu finden. Sie beschreibt seine Panikanfälle, die von der Umwelt als Zorn und Trotz interpretiert werden, die jedoch nichts anderes sind als Angstzustände, weil Simon mit zu vielen Eindrücken auf einmal total überfordert ist. Lange Zeit hatte die Autorin auch den Eindruck, dass ihr Sohn sein Umfeld nur eingeschränkt wahrnimmt. Erst durch das sogenannte Buchstabenbrett lernt er sich mitzuteilen. Somit wird ihr schnell klar, dass er zwar an Autismus leidet, aber sehr intelligent ist. Sie geht in diesem Buch sehr intensiv auf die Lernvorgänge ihres Sohnes ein, die sich ihr erst sehr spät erschließen. Immer wieder stellt sie Fragen in den Raum, wie etwas denn so sein kann wie es ist. Sie bekommt darauf keine Antworten, denn Simon wird nie in der Lage sein, ihr dies zu erklären.
Schonungslos offen berichtet sie über das Zusammenleben innerhalb der Familie, die Ablehnung von aussen und die Akzeptanzprobleme in den Schulen, die sich weigern ihren Sohn zu unterrichten. Auch stellt sie immer wieder die Frage nach dem Sinn dieser Krankheit und die Ablehnung durch andere. Die einzige Antwort die sie dazu fand lautete „Simon ist mir gegeben worden, weil ich ihn lieben kann
Ihre Angst vor der Zukunft ihres Sohnes zeigt sie ganz klar auf. Was wird sein, wenn sie keine Kraft mehr hat? Was wird sein, wenn sie zu alt wird, um sich um ihn zu kümmern?
An ein „Heilmittel“ glaubt die Autorin längst nicht mehr, zumal es erwiesen ist, dass Autismus immer mehr Menschen betrifft. Bereits ein Kind von 150 in den USA wird autistisch geboren und die Tendenz steigt stetig an.

Mein Fazit:

Eine Geschichte die zu Herzen geht, aber auch wiederum die Augen öffnet für eine Behinderung, die wohl am schwersten von allen zu verstehen ist.

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